Antonio Catelani

Antonio Catelani (2005)


“Ipercromo”, Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Bregenz Gli Ori, Prato, 2005

Antonio Catelani
Versicolor

Die mit Trapezio, Talea, Ipercromo und Anemone betitelten Bilder sind bestimmt durch den ausgeprägten Polychromatismus und den Einsatz von starken Farbklängen. Obwohl das Dargestellte sich nicht in erk- ennbaren, mimetischen Formen offenbart oder verdeutlicht, kann diese Malerei aufgrund ihrer allegorischen Bestimmung doch nicht als abstrakt im eigentlichen Sinn bezeichnet werden, es sei denn: sie tendiere zur Synthese. Genauso wenig kann man sie als minimalistisch bezeichnen: sie selbst dekt bereits auf, dass dies nicht beabsichtigt ist. Im Gegenteil: sowohl aufgrund der malerischen Materie, der Art und Weise, wie sich die Oberflächen strukturieren und die Figuren artikulieren, aber auch durch das Hinzukommen der Chromatik und die Ursprungsenergie, von der sie ausgeht, drücken diese Bilder eine maximale, additive und ursprünglich realistische Position im Verhältnis zur Kunst und der Welt aus.
Eines der Probleme, die sich in der Malerei stellen, ist die Frage nach dem Wie der Verwirklichung: wie soll man sich diesem Prozess annähern; nicht um sich hervorzuheben, vielmehr um den angemessensten, unpersönli- chen Weg zu finden. Diese Bilder sind alle im Horizontalen gemalt: dies, um den Einsatz einer Technik zu ermöglichen, die dem Siebdruck ähnlich, aber durch die fotomechanische Komponente noch entschieden verbessert ist. Der Siebdruckrahmen legt sich als wesentliche Distanz zwischen Autor und Werk; die Leinwand wird nie direkt berührt, es gibt nie einen physischen, gleichsam taktilen Kontakt des Pinselstrichs; die Farbe filtriert durch die Seide, die mit Kette und Schuss, aus denen sie besteht, die Textur bestimmt. Die Seide selbst hinterlässt ihren Abdruck, und eine Erinnerung an den Druck des Rakel (eine Spachtel aus Gummi, die im Siebdruck verwendet wird) auf die Farbe ist auf der seidigen und changierenden Oberfläche des Bildes zu erkennen. Dadurch, dass die Fläche im Horizontalen bemalt wird, erhält das Subjekt eine ontologische Tiefe anstelle einer perspektivisch-illusorischen, in der sich alles auf das Begrenzen der zweidimensionalen Fläche strukturiert. Die Oberfläche ist für Kunstgriffe unzugänglich aber erkennbar, sondierbar durch die durchlässige Struktur, die Schwellen, die Zugänge, die sich aus dem architektonischen Netzwerk des Bildes aufschließen. Es gibt keinen einzigen Strich, keine einzige Farbe, kein einziges Objekt, welches sich über das Gesamte erheben könnte, wo jedoch alles zusammenwirkt und das Ganze in seiner Gesamtheit strukturiert. Mit anderen Worten: nichts unterhalb der konstitutiven Struktur ist möglich, vorstellbar, nichts oberhalb der Oberfläche ist zulässig. Die Grenzen werden die einzige, die alleinige Bedingung, um das Grenzenlose zu erfassen. Vom Sonnenunter- gang bis zum Sonnenaufgang, vom Vollmond bis zur Eklipse, im natürlichen Erscheinen: als Symbol oder als Metapher von etwas Anderem, postulieren diese Stücke das Immanente und verweisen gleichzeitig auf ihre Transzendenz.
Die verwendeten Farben sind Zwischenwerte innerhalb des Farbkreises: sie gehören den Sektoren des Kreises
an, die einen Übergang von einer Farbe zu einer anderen kennzeichnen, dort also, wo eine Farbe in die benachbarte Farbe transkoloriert, in einer vitalen und vielfältigen Dynamik. Die Grundfarben allein werden nicht, auch nicht partiell oder abweichend verwendet. Sie werden nicht aus dem gesamten Farbkreis ausgesondert, abstrahiert, sondern finden sich dort in der ihnen zugehörigen hierarchischen Anordnung wieder. So kann da ein Türkis, das sich vom Hellblau zum Grün bewegt, seine Stimme hören lassen, dort ein Violett, das vom Purpur zum Hellblau hinuntersteigt: auch die Farbe lebt ihre Grenze und ihre Natur kondensiert in sich zwei unterschied- liche chromatische Naturen, im ständigen Gleichgewicht.
In diesem Licht behält das Wort dennoch seine Bedeutung: im Wie trägt der Titel – im Benennen zur Definition des malerisch Dargestellten bei: indem er den realen Zusammenhang zwischen Wort und Bild festlegt. Der Titel Trapezio spielt in seiner Evidenz auf die geometrische Figur an, wie auch in seiner griechischen Wurzel (trápeza/Tisch) auf den Ort, Oberfläche und Ursprung, des Manifestierens des gezeichneten Bildes. Die Bezeichnung Talea, botanischer Herkunft, impliziert hingegen die Idee des allmählichen Entstehens eines neuen Ganzen aus dem Teil. Ebenfalls die Pflanzenwelt, die wild wachsenden Blumen mit veilchenblauen Blüten, aber auch das atmosphärische Element will der jüngste Titel Anemone andeuten, der mit dem etymologischen Korrelat (ánemos/Wind) sehr gut das Strömen in der Horizontalität des Bildes vermittelt. Der Terminus Ipercromo hingegen weist auf die starke chromatische Steigerung hin, die Sättigung der Farbfelder, die im unteren Teil des Bildes so sichtbar schwer wiegen und bewirken, dass der Grund sich vertikal erhebt, hin zu einer mehr verdünnten, atmosphärischen Farbe.