Antonio Catelani

Antonio Catelani (2013)


Abwesenheiten in Preuβisch Blau

Alle Bilder aus diesem Zyklus tragen den Titel „Abwesenheiten in Preuβisch Blau”, da nur blaue Farbe verwendet und mittels eines mechanischen Verfahrens aufgetragen wurde, welches den seidigen Glanz und die Dichte der Farbmaterie bewirkt. Die Ölfarbe dringt dabei durch einen Siebdruckrahmen, der ohne jegliches fotomechanisches Element und als reiner Filter verwendet wird, auf die Leinwand, wo der Kontakt des Siebdruckgewebes mit der Farbe deren Textur bestimmt und zugleich das Bild erzeugt, das autonom im Zentrum der Leinwand entsteht. Durch Andrücken und Abheben des Siebdruckrahmens verteilt oder verdichtet sich die Farbe von selbst zu einer eigenen Tektonik der bemalten Oberfläche, die die Spannung der Malfläche in ihrer Gesamtheit zeigt. Der flächige und horizontale Farbauftrag verleiht dem Subjekt darüber hinaus eine ontologische Tiefe, anstelle jener perspektivisch-illusorischen, sodass sich alles auf das Begrenzen der zweidimensionalen Fläche strukturiert.
Die Malfläche wird schließlich entlang ihres gesamten Umfanges durch Andrücken des Daumens durch den Siebdruckrahmen markiert, gleich einer tautologischen Abgrenzung des physischen Bildrandes. Das Ergebnis dieses Eingriffs ist im Negativ sichtbar, als Spur entlang der Ränder: Es ist dies die einzige determinierte Geste des Künstlers, während das Bild im Übrigen vollkommen von selbst entsteht.
Preußisch Blau ist eine sehr instabile Farbe, der Oxidation und chromatischen Veränderungen unterworfen. Die chemische Verbindung Ferriferrocyanid lässt ein ganz charakteristisches Blau entstehen, bekannt auch als Eisenblau, das sich unter der Einwirkung von Sonnenlicht und im Kontakt mit der Grundierung der Leinwand farblich verändert, zu schillern beginnt, schließlich nach und nach zu seinen Ursprüngen als eisenhaltige Materie zurückfindet und buchstäblich rostet. Diese Bilder sind in ihrem Entstehen blau und in einem eigenen Entwicklungsprozess, der vom Künstler weder bestimmt noch kontrolliert wird, beginnen sie mit der Zeit zu oxydieren und anzurosten, wobei sie sich an einigen oder vielen Stellen rotbraun verfärben.
Durch formale Synthese, die changierende Färbung des Blau und den selbstgenerierenden Prozess, dem sie sich verdanken, finden und konkretisieren sich diese Bilder in ihrer reduzierten physischen Größe, dem Ideal des Formats tableau entsprechend, das ganz typisch ist für die europäische Malerei des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Bilder der „serie blu“ sind Teil und natürliche Fortsetzung einer vorhergegangenen, in Berlin im Jahr 2009 begonnenen und mit „Assenze“ (Abwesenheiten) benannten Werkserie, bei der das Monochrome sich an der schmalen Grenze zwischen Bild und Objektivierung der Bildfläche neu konfiguriert: Dort, wo das Erkunden der physischen Malfläche, in solidem Bezug zu jener ontologischen, die bemalte Oberfläche sogar berührt, was die Aufmerksamkeit vom visuellen auf den taktilen Bereich lenkt und die chromatische Komponente aufhebt. Die Schwarz- und Grautöne, auch jene metallischen, fixieren mit Schärfe die Abwesenheit, die unbeständige und im Negativen gezogene Spur eines unbestimmten Aktes. Die Spur, die schließlich auf der Leinwand zu erkennen ist, ist die einzige konkrete Evidenz eines Ereignisses.

Antonio Catelani, Berlin 2013